Der Bund, 22.04.2004

Stauabgabe ist nicht gefragt

Der Grosse Rat hat mit 91 gegen 70 Stimmen beschlossen, keine Standesinitiative zur Einführung von Road Pricing einzureichen

Singapur kennt Road Pricing schon lange. Norwegische Städte wie Trondheim, Bergen und Oslo haben es vor Jahren eingeführt. Aber erst seit London die Strassen ins Zentrum 2003 gebührenpflichtig machte, ist Road Pricing auch in der Schweiz ein Thema: 800 000 zusätzliche Fahrgäste für den öffentlichen Verkehr, zwölf neue Buslinien, 15 Prozent weniger Strassenverkehr und 40 Prozent weniger Stauzeit: Das habe Road Pricing London gebracht, sagte gestern Regierungsrätin Barbara Egger im Grossen Rat.
Doch trotz dem Erfolg in der Praxis hatte Andreas Hofmann (sp, Bern) einen schweren Stand mit seiner Motion, die eine bernische Standesinitiative verlangte, um auf Bundesebene die gesetzlichen Grundlagen für eine Stauabgabe zu schaffen. (...).

«Bern ist nicht Singapur»
Für die SVP und FDP war Road Pricing allerdings kein Thema. «Bern ist nicht Singapur», sagte der Schangnauer Landwirt Fritz Reber als Sprecher der SVP-Fraktion. Das Ganze rieche nicht nur nach Steuerung des Verkehrs, sondern auch nach neuer Steuer. Einstimmig wollte auch die FDP-Fraktion nichts wissen von einer Standesinitiative, wie Hans-Rudolf Markwalder (Burgdorf) im Namen seiner Fraktion darlegte. Die FDP setze nicht auf Einschränkungen, sondern auf Selbstverantwortung - Road Pricing führe nur zu weiteren Belastungen.
SP, EVP, Grüne Freie Liste und Grünes Bündnis setzten sich jedoch für eine Standesinitiative ein. Es gehe darum, die marktwirtschaftliche Lenkung des Verkehrs zu ermöglichen, sagte Ruedi Löffel (evp, Münchenbuchsee). Man müsse «ein Zeichen gegenüber dem Bund» setzen, fand Johanna Wälti (gfl, Burgdorf). Road Pricing sei «effizient, gerecht und ausgereift», argumentierte Mirjam Bütler (sp, Bern).

Lenkung via Portemonnaie
Regierungsrätin Barbara Egger wollte namens der Regierung die Motion entgegennehmen. Die Verkehrsnachfrage via Portemonnaie zu steuern, sei folgerichtig, genauso wie auch im Tourismus die Hochsaison teurer sei als die Zwischensaison. Für die Regierung sei dabei klar, dass kein Berner Alleingang gefahren werde. Doch SVP und FDP liessen sich nicht überzeugen: Mit 91 gegen 70 Stimmen entschied der Grosse Rat, dass Bern keine Standesinitiative einreicht und beim Bund kein Zeichen für Road Pricing setzt. (Lb)

 

Berner Rundschau, 22.04.2004, Kanton BE

Bürgerliche bremsen die «Umlenker» aus

ROAD PRICING: Das bernische Parlament verzichtet auf eine Standesinitiative
Der Kanton Bern verzichtet darauf, beim Bund eine Standesinitiative zur Einführung von Road Pricing einzureichen. Einen entsprechenden SP-Vorstoss hat gestern die bürgerliche Mehrheit des Grossen Rates bachab geschickt - gegen den Willen der Regierung.
Road Pricing - andere nennen das auch Strassenzoll - sei eine flexible Alternative zu Staus und dem weiteren Ausbau des Strassennetzes, begründete SP-Grossrat Andreas Hofmann (Bern) seine Forderung zur Einführung einer gesetzlichen Grundlage für die Einführung von Strassenbenutzungsgebühren. (...)

SP, Grüne und EVP dafür
Im Rat stellten sich neben der Regierung nur SP, Grüne und EVP hinter das «verursachergerechte Road Pricing», so Mirjam Bütler SP/Bern. GFL-Sprecherin Johanna Wälti (Burgdorf) zeigte sich «froh» darüber, dass die Regierung das zukunftsgerichtete Anliegen unterstützt.
Im gleichen Sinne äusserte sich Ruedi Löffel (EVP/Münchenbuchsee): Weiter zu versuchen, den «ökonomischen Blödsinn» von millionenteuren Staus mit Investitionen ins Strassennetz zu lösen, sei nämlich falsch.

Keine «neue Steuer»
Exakt gegenteilig äusserte sich SVP-Sprecher Fritz Reber (Schangnau): «Road Pricing ist der falsche Weg um das Stauproblem zu lösen. Ein Ausbau des Strassennetzes ist eben sinnvoll», meinte der Schangnauer. Seine Partei bekämpfe grundsätzlich neue Steuern. Die Probleme in den Agglomerationen können der Kanton Bern auch ohne Standesinitiative lösen.
Benutzungsgebühren widersprächen der liberalen Grundhaltung der FDP, sagte Hans-Rudolf Markwalder (Burgdorf). Die FDP setze beim Kampf gegen den Stau auf Eigenverantwortung und die Förderung des öffentlichen Verkehrs. Zu bezweifeln sei zudem, ob Road Pricing staatsquotenneutral eingesetzt werden könne. (...)
Im Rat begrüsste Verkehrsdirektorin Barbara Egger Road Pricing als «marktwirtschaftliches Instrument». In den Agglomerationen drohe der Verkehr zu kollabieren, Raum und Geld für neue Strassen würden immer knapper. Mit Road Pricing könnten Verkehrslenkung und Mittelbeschaffung ideal miteinander verknüpft werden.
Die Einwände der Regierung zeigten keine Wirkung: Eine SVP/FDP-Mehrheit sprach sich mit 91 gegen 70 Stimmen und einer Enthaltung gegen die Standesinitiative aus. (sda, uz)

 

DRS Regionaljournal BE FR VS 21.4.2004, 12.03 Uhr

Standesinitiative für Road Pricing abgelehnt 21.4.04 (3:26)

Parlamentsdebatte: Bernisches Kantonsparlament lehnt Standesinitiative für Road Pricing ab
(3:26)

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